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Manchmal sind es die ganz kleinen Momente, die man schon so viele Male erlebt hat und die plötzlich einen entscheidenden Unterschied machen. Es war als ich gestern Abend in der U7 stand, auf dem Weg zu einem Abend mit meinen Mädels, in meiner Lieblingsbar. Die gesamte Fahrt hat nur 2 Stationen mit einmal Umsteigen. Irgendwo auf den Treppen zwischen oberen und unterem Bahnsteig hat Shuffle mir einen Song in die Kopfhörer geschmuggelt, den ich schon lange sehr mag, dem ich aber wohl nie so richtig zugehört habe. Da steh ich also in der U7 und höre diese Strophe. Und zum ersten Mal wird mir plötzlich klar, was Ben Cooper da eigentlich singt, was der eigentlich meint. Ich spule zurück und höre noch einmal zu. Und plötzlich machte alles so viel Sinn. „Genau das ist es!“, dachte ich, „… das ist es.“

I’ve seen more places than I can name
And over time they all start to look the same
But it ain’t that truth we chase
No, it’s the promise of a better place

But all this time, I’ve been chasin‘ down a lie
And I know it for what it is
But it beats the alternatives
So I’ll take the lie

Jetzt möchte ich euch das aber mal ein bisschen genauer erklären. Seitdem es diesen Blog gibt, habe ich ein Zitat auf meiner About Seite. Ein Zitat aus Janoschs „Oh wie schön ist Panama“. In der Geschichte treffen der kleine Tiger und der kleine Bär auf den Reiseesel Mallorca, einen Reisenden auf der Suche nach dem Glück. Und das Glück liegt ja bekanntlich in der Ferne. Doch der Esel ist ein rastloser Reisender, denn er hat sehr richtig erkannt: Die Ferne ist immer da, wo man gerade nicht ist. Und auch, wenn ich schon immer wusste, dass mich diese Worte wohl am besten beschreiben, ist mir das noch nie so bewusst geworden wie heute. Nach fast 4 Jahren intensivem Reisen und herumtingeln mit unendlichem Verlangen die ganze Welt zu sehen. Nachdem das Reisen zu meinem Beruf geworden ist, dachte ich noch immer, dass das Glück irgendwo da draußen liegt. Man stellt sich dann das Leben an anderen Orten der Welt vor und irgendwie klingt das alles so viel einfacher und besser als Zuhause. Man setzt sich Dinge in den Kopf über das Leben in fernen Ländern. Darüber, dass man ja allein schon glücklich sein muss, weil es dort so schön ist. Oder immer sonnig. Oder das Essen so toll. Oder das Leben so günstig. Abseits von Steuern und Behörden, Krankenversicherung, Rechnungen und der unaufgeräumten Wohnung. Abseits vom Krach in Berlin und dem kalten Winter.

Wir haben da im Ruhrgebiet so einen Satz, einen, den man sich auf T-Shirts schreibt und der auf Fußmatten und Kaffeetassen steht. Ein Satz der den Pottlern so einverleibt ist, wie kaum ein Anderer, aber für viele eigentlich nur ein Vorwand ist, die geliebte Heimat nicht zu verlassen. „Woanders is auch scheiße“ heißt es. Und bisher habe ich diesen Satz immer nur mit einem Augenzwinkern wahrgenommen und weiter mein Glück in der Ferne gesucht. Und doch mit der Zeit irgendwann Heimweh bekommen. Oder gemerkt, dass selbst die Ferne ihre Problemchen und Wehwehchen hat. Da tauchen dann plötzlich andere Dinge auf, die einen stören oder schwierig sind. Das sind dann ganz andere Dinge, als Zuhause. Aber sie sind überall da. Und dann fragt man sich jedes Mal, vielleicht liegt das Glück eben doch nicht in Australien, oder in Island, oder in Südfrankreich. Sondern noch ganz woanders. Und so blieb ich rastlos. Auf der Suche. Mit der andauernden Erkenntnis, dass es eben woanders auch meistens scheiße ist.

Doch erst jetzt glaube ich Janosch richtig verstanden zu haben. Das Glück liegt wirklich in der Ferne. Aber mit der Ferne ist die Reise selbst gemeint. Das Glück liegt in den Erlebnissen, die man auf der Reise hat, in den Momenten des Kennenlernens, des Erlebens. In den Augenblicken, in denen man realisiert wie schön diese Welt ist. In neuen Freundschaften die man schließt. In der absoluten Freiheit, die man für einen Moment spürt. Im nach Hause kommen. Und im anschließenden Verlangen wieder loszuziehen. Nur muss das wohl erst jeder für sich selbst herausfinden.

Und so bleibe ich gerne rastlos mit einer großen leeren Box in der ich das Glück einsammle. Wie der Reiseesel Mallorca. Und habe dabei auch mein Lied gefunden.

24 Comments

  • Christian sagt:

    Klasse Text, klasse Song!
    Das Gefühl „Woanders is auch scheiße“ kenne ich. Nach gewisser Zeit an einem anderen Ort schleicht sich Alltag ein und bringt die ortsansässigen Problemchen mit sich. Zum ersten Mal hatte ich vollkommene Zufriedenheit ohne Abstriche nur auf meiner allerersten Reise durch Island. Alles war neu. Alles war so magisch und auch unwirklich. Bei der zweiten Reise bemerkt man dann aber auch schon wieder Kleinigkeiten, die einen stören, da man genauer hinschaut und auch zuhört.

    Der beste Moment ist der, zwischen dem Entschluß wieder aufzubrechen und dem dort ankommen. Neugier, Vorfreude, Abenteuerlust. Den Blick nur nach vorne gerichtet.

  • Gina sagt:

    Zauberschöner Text! (und grandioses Lied, gleich ab damit in die Playlist!) Ich beschäftige mich auch immer viel mit der Frage, um was denn nun gehen soll, um das Ankommen oder Abreisen, und wie einem dieses unbestimmte Glück in der Ferne vielleicht ein bisschen blind werden lässt für das Gerade. Seit zwei Monaten wieder Zuhause, und schon Angst, dass ich zu lange einfach nur „da“ bin. Menscheskinder, kompliziert dieser Weg und die Frage, was denn nun eigentlich das Ziel ist 😀

  • jessie sagt:

    Schöne Sonntagsgedanken, wie wohl jeder schon mal gefühlt hat.

    Irgendwie ist man immer auf der Suche nach den kleinen Abenteuern, die einen alles vergessen lassen. Zumindest für einen Moment!

    und toller Song! <3

  • Carola sagt:

    Schöner Denkanstoß zum Sonntag 🙂
    Die, glaube ich, meist gestellte Frage an Langzeitreisende (oder zumindest die, die ich am häufigsten zu hören bekomme), ist ja „Und was machst du, wenn die Reise vorbei ist?“ Und genau darin liegt das Missverständnis: Es geht doch nie um das, was ich mit so einer Reise hinterher anfangen kann, sondern um das Erlebnis an sich. Von wegen in Moment sein und so…
    Happy travels!

  • Patrick sagt:

    Toll geschrieben,
    Ich bin kein Reisender so wie du (hab mir es nie ausgesucht) aber ich bin seit 14 Jahren beruflich in Nordeuropa unterwegs (lange zeit in Dänemark) und irgendwann kam bei mir der Punkt wo einfach Schluss war zum richtigen Zeitpunkt, ich durfte das herrlich schmerzhafte Gefühl Heimweh kennenlernen und genauso plagt mich das Fernweh manchmal aber ich habe mein Zuhause gefunden, was glücklicherweise meine Heimat ist. Ich würde auch gerne mehr Reisen aber erstens verlangt das Leben (mein Leben) von mir das dafür wenig zeit ist und die Prioritäten zwischen Daumen und Zeigefinger sind manchmal andere als mein Herz, Kopf oder Bauch will . Aber alles gut ich hab mein Platz gefunden und bin nach wie vor unterwegs, nur das es sich auf Hamburg beschränkt 🙂 …. Für mich war das zurück kommen schon immer das beste am Unterwegs sein (hab ich irgendwann festgestellt)

  • Claudia sagt:

    Wow, Nina! Das ist ein sehr schöner Text. Und ein Thema, dass mich mit 38 Jahren und 2 Kindern und Mann und Hund und Katze immer noch umtreibt. Und ja, ich habe diese Ruhelosigkeit immer noch. Obwohl ich inzwischen rational längst weiß, dass Janosch Recht hat. Der kleine Tiger und Bär finden ja am Ende ihrer Reise das Paradies auch daheim, auch wenn sie das nicht erkennen weil alles so verändert scheint.
    Und trotzdem, obwohl ich gerne bei meiner Family bin und gerne nach Hause komme – der Zustand hält immer nur für eine kurze Zeit. Dann wächst das Fernweh wieder. Und bin ich dann unterwegs, dann kommt das Heimweh dazu. Die Lehre? Eigentlich bin ich vermutlich auf der Suche nach etwas ganz anderem – das ich bisher weder daheim noch in der Ferne gefunden habe. Auch nach 38 Jahren nicht.
    LG, Claudia

  • Dawid sagt:

    Wenn es „woanders auch scheisse ist“ und zuhause ebenso, vielleicht ist dann das Problem einfach ortsunabhängig und befindet sich auf einer ganz anderen Ebene? Du hörst dich für mich an, als würdest du vor dir selbst wegzurennen versuchen und jetzt zu der Ansicht gelangt sein, dass das Wegrennen das Schöne ist.

  • Berit sagt:

    Hmmm … entweder ist es das Reisen oder du hast deinen Ort nur noch nicht entdeckt. Ich habe da neulich einen schönen Text von Somerset W. Maugham gefunden, der mich (immernoch und nicht grundlos) sehr berührt:

    „ … Bisweilen stößt ein Mensch auf einen Ort, dem er sich geheimnisvoll verbunden fühlt. Hier ist die Heimat, die er sucht; er wird sich niederlassen in Gegenden, die er nie zuvor gesehen, unter Menschen, die er nie gekannt hat, und doch ist es ihm, als wären sie ihm von Geburt an vertraut. Hier findet er endlich Ruhe.“

    Na? 😉

    Liebe Grüße
    Berit

  • Paleica sagt:

    schön geschrieben. und ein ganz wunderbares bild!

  • Marina sagt:

    Ich bin gerade ganz zufällig über justtravelous auf deinen Blog gestoßen und habe mir diesen Artikel durchgelesen. Das passiert wirklich nicht mehr häufig, dass man einen Blogartikel liest und sich denkt „Meine Fresse, die Frau hat einfach den Nagel auf den Kopf getroffen!“
    Ist mir aber gerade passiert und das musste ich dir mal kurz mitteilen 🙂
    Ich bin übrigens auch ausm Pott, deswegen musste ich erstmal lachen als ich die Zeile gelesen hab 😀
    Momentan studiere ich Journalistik in Bremen und mir fehlt einfach das nötige Kleingeld zum reisen…mein Freund und ich machen immer wieder Reisepläne die wir „irgendwann mal“ umsetzten wollen. Das macht mich sowas von unglücklich, ich hab das Gefühl festzustecken und bin zu 100% davon überzeugt erst richtig glücklich zu sein wenn ich endlich losreisen kann. Ist übrigens auch mein Ziel, genau das zu meinem Beruf zu machen. Irgendwann.

  • Nadine sagt:

    so wahr und so schön geschrieben! Gefällt mir sehr liebe Nina 🙂

  • Diana sagt:

    So ein schöner Text, der mir aus der Seele spricht. Und das noch so schön verpackt wie ich es nie könnte.

  • Anna sagt:

    Der Artikel ist so gut geschrieben und auch einfach mal wahr! Und Janosch hat wohl recht bzw die Interpretation der „Ferne“ als „Reise in die Ferne“. 🙂 Gefällt mir!!
    Lieben Gruß, Anna

  • Sehr schön geschrieben, Nina. Vielen Dank dafür. Das Glück liegt in allen Teilen des Reisens. Der Entscheidung dafür, bei der bestätigten Flugbuchung, beim Flughafenkaffee, in den Menschen die man trifft und den vielen Erlebnissen unterwegs. Und auch im Heimkommen.
    Irgendwie ist es aber schon so, dass das Glück immer dort ist, wo man gerade nicht ist. Man will, was man nicht hat, oder? Aber das Sammeln von Glück ist ja auch irgendwie Glück an sich…

  • Nina Finn sagt:

    Hallo Nina, hier ist Nina ^^ Macht richtig Spaß deine Beiträge zu lesen und dir zu folgen. Ich hätte auch gerne so ein spannendes Leben. Aber wenigstens fahre ich dieses Jahr überhaupt mal wieder in den Urlaub. Wir sind diesmal auf den Campingplätze Deutschland unterwegs. Viel Glück weiterhin für dich.

  • tine sagt:

    wie schön sind deine worte zu lesen! ich habe das „woanders is auch scheiße“ total im blut als pottkind. was muss ich mich immer für meine heimat ins zeug legen, weil die süddeutschen denken, nur hier im süden kann es schön sein… und ja, ich bin immer sehr gerne unterwegs, sehe gerne neue orte und landschaften. aber nicht weil es da wo ich her komme scheiße ist. ich bin ich einfach nur auf der suche nach dem glück. und das auf trallafitti sein macht so viel spaß und somit glücklich! aber dafür muss man auch mal zu hause sein. um sich zu freuen, dass es bald wieder los geht, auch wenn es nur an den nächsten see oder auf den nächsten berg ist. und das dann auch noch teilen zu können, das macht einfach zufrieden. meistens is woanders nämlich auch schön.

  • Nici sagt:

    Das ist so wahr! Kann ich dir nur zustimmen!
    In den Erlebnissen des Reisens findest du das Glück! Wenn auch nicht das ganz große, aber jeder kleine Moment ist schon ein Stück Glück!
    Und jetzt hast du einen neuen Leser!^^

    Lieben Gruß,
    Nici

  • Janis sagt:

    Wie wahr, schön ausgedrückt, Nina!
    Erinnert mich sofort sehr an die inspirierende Geschichte von Paulo Coelho – der Alchimist, kennst du sicherlich?
    Einen schönen, verregneten Sonntag dir 😉

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